Bahnfahren in Corona-Zeiten
Wie das manchmal so ist, habe ich kürzlich jemanden über das Internet kennengelernt. Diese Entwicklung wird ja nicht mehr nur unterstützt, sondern von der Politik sogar gewünscht. Hauptsächlich sollen dadurch persönliche Treffen vermieden werden. Am Besten wäre es, und so wäre es vielen offenbar am Liebsten, wenn wir unser komplettes Privatleben, ach, vielleicht doch besser das ganze Leben digitalisieren. In einer Welt in der wir unsere Aktivitäten auf Twitter, Instagram und Facebook als „socializen“ bezeichnen, ist es nicht überraschend, wenn einige glauben, derartige Kontakte könnten tatsächlich ausreichen.
Nur leider widersprechen solche Gedanken dem ursprünglichen Sinn dieser Plattformen, der es vielleicht eher ist oder war, mit den Menschen, die man kennt in Kontakt zu bleiben, um sie vielleicht einmal wiedersehen zu können oder aber und jetzt wird es komplett absurd, vielleicht sogar neue Menschen kennenzulernen, sich mit ihnen zu treffen und vielleicht sogar anzufreunden oder auf direktem Wege auszutauschen, in einem richtigen Gespräch, an einem Tisch, mit einem Tee oder Kaffee oder wie auch immer.
Tatsächlich hat sich diese Methodik sogar bewährt und funktioniert sogar für die weniger geselligen Zeitgenossen, zu denen ich mich jetzt einfach einmal zähle. Meistens finden solche Treffen in Restaurants, Bars, Cafés oder ähnlich öffentlichen Betrieben der Gastronomie statt. Nachdem wir also beschlossen hatten uns persönlich zu treffen, dauerte es eine Weile, bis wir einen gemeinsamen Termin finden konnten. Doch dann wurde der sogenannte „Lockdown light (für mich: Leid)“ verkündet und die Gastronomie musste am 2. November wieder schließen. Kurzerhand entschlossen wir uns unser Treffen auf den 1. November zu legen, damit wir uns gemütlich in einem Café treffen konnten und hatten uns dann tatsächlich auch viel zu erzählen, aber um das Treffen geht es ja eigentlich gar nicht.
Zu diesem Treffen bin ich allerdings mit dem Zug angereist. Bisher dauerte meine längste Zugfahrt seit März ca. eine halbe Stunde. Dieses Mal musste ich deutlich länger fahren und unterwegs auch auf einem Bahnhof über 20 Minuten auf einen Anschlusszug warten.
Inzwischen wurde die Maskenpflicht im Nahverkehr allerdings auf den gesamten Bahnhofsbereich ausgedehnt, was bedeutet, ich muss 20 Minuten im Freien mit einer Maske rumstehen, noch dazu an einem spärlich besuchten Bahnsteig.
In dieser Zeit hatte ich Gelegenheit mir Artikel und Videos anzusehen, dieses Mal im Focus. Groß war an diesem Tag die Aufregung über die „Feierwütigen“ in den Städten NRWs. Ich konnte hingegen nicht aufhören zu lachen, als ich mir die Videos und die dazugehörigen Kommentare ansah. Wieso? Nun ja, ursprünglich hieß es, der „Lockdown“ würde für den November gelten, doch offenbar glaubte schon zu diesem Zeitpunkt niemand mehr so richtig daran. Und was wollten die Behörden auch tun? Die Gastronomie schließen? Das einzige verbliebene Mittel sind also Bußgeldandrohungen. Überhaupt scheint das in diesem Jahr der Politik liebstes Kind zu sein, Bußgelder aufgrund von Verstößen gegen die verschiedenen Verordnungen zu verhängen. Gut das wir keine richtigen Kriminellen haben.
Am Bahnsteig jedenfalls war ich noch einigermaßen guter Dinge, trotz Maske. Eine Flasche Wasser für die nächsten Stunden hatte ich mir noch besorgt, bevor ich in den Zug stieg. Allerdings musste ich schon zu diesem Zeitpunkt auf die Toilette, welche sich aber nicht nur als defekt und dementsprechend verschlossen, sondern auch als einzige im Zug herausstellte. Soviel zum häufigen Händewaschen. Besonders hygienisch ist das natürlich vor allem deshalb, weil eigentlich jeder andauernd an seiner Maske hin und herzieht und anschließend Türen, Haltegriffe und was sonst noch berührt. Desinfektionsmittel gab es natürlich auch nicht. Ich bin wirklich kein Fan von zu viel Desinfektion oder Händewaschen, mir ging es natürlich mehr um die Toilette. Auffällig sind für mich nur die Widersprüche unserer, scheinbar erst dieses Jahr, entdeckten Hygiene. Vielleicht ist das aber auch nur zu hoch für mich.
Einige Kommentatoren der oben angesprochenen Beiträge waren geradezu außer sich, doch nicht nur das feiernde Partyvolk war Ziel ihres Unmutes. Nein, auch Reisende, die frech genug waren sich in vollen Zügen zusammenzudrängen, um irgendwo hinzufahren. Nun gehörte auch ich zu diesen Reisenden, die sich einfach nur einem Vergnügen hingeben wollten und einfach einen Kaffee mit jemandem trinken wollten, nur zum Reden. Wie rücksichtslos von mir.
Vielleicht tröstet es solche Menschen, wenn sie hören, dass die Bahnfahrt für mich keineswegs ein Vergnügen war, sie war die Hölle. Zwei Stunden, am Stück, mit Maske, auf engem Raum. Einige Male hatte ich tatsächlich Atembeschwerden. Von einer Spaßreise kann hier also nicht die Rede sein. Für mich liegt der Schluss nahe, nicht allein damit zu sein. Sicher gibt es viele Menschen die meinen, die Maske sei für sie kein Problem, aber die meisten würden sie sofort ausziehen, wenn sie nicht eine irgendwie geartete Sanktionierung befürchteten.
Die von vielen kritisierten vollen Züge, konnte ich auch nirgends entdecken. Ich vermute, diese sind eher im Berufsverkehr zu finden. Tatsächlich war der Zug so leer, dass man locker hätte einen Mindestabstand einhalten können, wie man auf dem Bild erkennen kann. Und es haben sich sogar alle brav an die Maskenverordnung gehalten. Tatsächlich liegt für mich die Vermutung nahe, sie hat einen nicht ganz unerheblichen Anteil an den leeren Zügen.
Für mich bleibt die Erkenntnis, „Bahnfahren in Corona-Zeiten ist kein Vergnügen“ und wann immer ich den ÖPNV meiden kann, werde ich es auch tun. Und da die Gastronomiebetriebe nun geschlossen sind und alle Veranstaltungen ausgesetzt, sollte das auch relativ leicht sein, genau so wie es unserer Politik gefällt.
© Bild: Christina Kade