Hass und Hetze sind nicht gleich Hass und Hetze

Hass und Hetze sind nicht gleich Hass und Hetze

Wie die Wahrnehmungsfalle Doppelstandards begünstigt

Der Umgangston wird rauher. Obwohl das eine Beobachtung ist, die sicher insgesamt Gültigkeit hat, beziehe ich mich in diesem Fall insbesondere auf die sogenannten sozialen Medien. Das von „sozial“ hier häufig kaum die Rede sein kann, haben wahrscheinlich schon viele Menschen erfahren, ganz gleich, ob und zu welcher Gruppe oder Blase sie sich selbst zählen würden.

Tweet von mir (Christina Kade): Warum sind Maskenfans eigentlich immer derart aggressiv? Zu viel Adrenalin?

Ein einzelner Tweet, eine simple Frage auf Twitter, die aus einer Beobachtung resultiert und auch aus persönlichen Gesprächen, kann heutzutage eine Wucht entfalten, die ich mir kaum hätte vorstellen können.

Ich gebe zu, die Frage war suggestiv und verallgemeinernd, aber leider haben mich die Antworten darin bestärkt, hier einen Nerv getroffen zu haben. Ich weiß nicht, ob ich das schon als „Hass und Hetze“ definieren würde, aber ganz sicher schwingt hier die Absicht mit zu beleidigen. Sobald man sich öffentlich äußert, bietet man natürlich auch Angriffsfläche. Mein eigentliches Problem damit ist, dass hier sehr deutlich wird, wie wenig Spielraum für Diskurs es auch nach über zwei Jahren Pandemie-Politik noch immer gibt.

Dabei fallen einige Antworten selbstverständlich gemäßigt aus. Sie stammen von Menschen, die verstanden haben, dass ein Zwang keine Lösung sein kann. Insgesamt ist aber gerade die Maskenpflicht inzwischen zu einer Art Glaubensbekenntnis mutiert, bei der rationale Erklärungsversuche offenbar keinen Platz mehr finden.

Sicher kann man die Frage stellen, wieso ich den Begriff „Maskenfan“ gewählt habe, doch wo ist das eigentliche Problem? Ich hätte auch „Befürworter“ oder „Enthusiasten“ schreiben können. Doch das Verhalten einiger Nutzer zeigt, dass diese Beschreibung ihnen kaum mehr gerecht wird. Hätte ich Fanatiker geschrieben, wäre der Begriff bei vielen sicher sogar treffender gewesen.

Tatsächlich haben viele Befürworter einer Maskenpflicht es fertig bekommen, alle sogenannten Maskenverweigerer auf einen einzigen Vorfall zu reduzieren, bei dem ein Tankwart tragisch ums Leben kam und sind sich doch nicht zu schade, denselben Hass über die vermeintlichen „Querterroristen“ auszuschütten, wohl wissend, dass diese Spirale nur abwärts führen kann. Die Möglichkeit, dass Menschen aus gutem Grund keine Maske tragen DÜRFEN, kommt einigen gar nicht mehr in den Sinn. Sie klatschen Beifall, wenn behinderte Menschen aus Bus und Bahn geworfen werden, obwohl sie ein ärztliches Attest vorlegen können.

Wie viel mehr Menschenfeindlichkeit und Verachtung geht eigentlich noch? Verzeihung die Frage ist rein rhetorisch.

Dagegen nehmen sich die abschätzigen Kommentare einiger Maskengegner unter dem Post wirklich harmlos aus und sind prozentual auch sehr viel vernachlässigbarer als die abwertenden Kommentare der Maskenenthusiasten. Ein sehr großer Teil der Antworten vermutet nämlich einen Sauerstoffmangel als Ursache für die Feindseligkeit der Befürworter.

Obwohl das im Ansatz richtig ist, greift es natürlich etwas zu kurz. Der Mangel an Sauerstoff verursacht Stress. Gerade FFP2-Masken erhöhen die Co2-Konzentration im Blut schon nach wenigen Minuten. Da Masken häufig über längere Zeiträume getragen werden, befindet sich der Körper permanent im Überlebensmodus. Das ist immer noch eine sehr vereinfachte Darstellung, die aber die Aggression in einen etwas größeren Zusammenhang bringt.

Nur einer der Befürworter hat es letztlich geschafft, mir eine Studie zu verlinken, die seine These von der Sinnhaftigkeit der Maskenpflicht untermauern sollte. Diese Studie wurde vom Max-Planck-Institut unterstützt und anschließend zusammengefasst. Der ursprüngliche Text der Studie wurde auf Englisch verfasst und von der Person offenbar nicht gelesen. Das schließe ich daraus, dass die Voraussetzungen der Studie, die häufig im Konjunktiv formuliert sind, in dem Papier des MPI keine Erwähnung finden. Darüber hinaus handelt es sich um eine Studie, die zwar viele Quellen berücksichtigt, deren eigene Tests aber ausschließlich unter Laborbedingungen erfolgt sind. Natürlich bin ich selbst voreingenommen. Das gebe ich gerne zu. Die selektiv herausgepickten Informationen lassen mich jedoch schlicht an der Objektivität des MPI zweifeln. Da die Max-Planck-Gesellschaft überwiegend aus Mitteln von Bund und Ländern finanziert wird, überrascht das Ergebnis und die daraus resultierende Empfehlung kaum.

Darüber hinaus sind solche Studien wenig aussagekräftig und haben mit der Realität auch kaum etwas gemein. Jeder könnte das feststellen, wenn er nur etwas genauer hinsieht. Wurde vor zwei Jahren Schweden häufig als Beispiel angeführt, so stellen die USA sogar noch ein viel besseres Exempel dar. Dort hatten benachbarte Staaten teilweise sehr unterschiedliche Strategien und damit auch Regeln zur „Pandemiebekämpfung“ erlassen. Der daraus zu ziehende Schluss wäre, dass weder Maßnahmen noch Masken einen signifikanten Unterschied bei der Ausbreitung von Covid-19 herbeiführen konnten.

Doch während in anderen Ländern diese Daten vorliegen und auch ausgewertet wurden, hat der Evaluierungsbericht in Deutschland genau diesen Mangel an Daten offengelegt. Das Resultat ist, dass andere Länder die Pandemie beenden und Deutschland ein weiterer Winter bevorsteht, in denen Ungeimpfte „separiert“ werden können.

Wer hier die gefährlichen Parallelen zur Vergangenheit ignoriert, argumentiert häufig damit, man solle doch nach Nordkorea oder auch nur nach Russland auswandern, wenn man sich hier bereits in annähernd diktatorischen Verhältnissen wähnt. Man bemüht ein Totschlagargument und übersieht den Elefant im Raum, der in zweieinhalb Jahren vom Baby zum ausgewachsenen Dickhäuter geworden ist.

Meine Frage an all diese Menschen lautet:

Werdet ihr, wenn wir Verhältnisse wie in Nordkorea oder auch nur in Russland oder der Ukraine oder in Weißrussland erreichen, auf die Straße gehen und euch trauen für eure Freiheit einzustehen?

Ich habe da durchaus begründete Zweifel.

Es ist nicht wirklich so, dass ich viel von Menschen erwarte, die einen in fragwürdige Machenschaften verwickelten Kanzler ins Amt heben oder an den Lippen eines Gesundheitsministers hängen, der für das Gesundheitssystem nur wenig übrig zu haben scheint, dafür aber Steuergelder verschwendet. Nein, der Teil des Volkes, der einen Justizminister und seine ganze Partei nicht wirklich abstraft, wenn er behauptet, es sei eine grundrechtsschonende Maßnahme alten Menschen viele Stunden am Tag eine FFP2-Maske aufzuzwingen oder Menschen, die viele Stunden im Fernverkehr reisen müssen, hat offensichtlich seinen Realitätssinn irgendwo unterwegs verloren.

FFP2-Masken unterliegen aus gutem Grund Arbeitsschutz-Richtlinien. Diese besagen, dass regelmäßige Pausen einzuhalten sind, um die Co2-Konzentration im Blut zu reduzieren. Der Justizminister und der Gesundheitsminister hebeln dieses Recht für andere Menschen aus. Selbst als im Einzelhandel eine FFP2-Maskenpflicht galt, durften Mitarbeiter aus diesem Grund eine medizinische Maske tragen. Die jüngste Novelle des IfSG zeigt einmal mehr die Dysfunktionalität unserer demokratischen Strukturen.

Andere Probleme im Zusammenhang mit Masken, die etwa speziell Kinder betreffen oder die Tatsache, dass die Müllberge derzeit in nie dagewesenem Ausmaß unsere Umwelt und damit auch die Meere belasten, werde ich hier unberücksichtigt lassen. Doch darüber nachdenken, ob eine Maskenpflicht in irgendeiner Form sinnvoll ist, ob der Nutzen den Schaden tatsächlich überwiegt, sollte wirklich jeder Maskenbefürworter einmal sehr gründlich.

Wen wollt ihr wirklich retten?

Sicher nicht die alten Menschen, die in Pflegeheimen dahinvegetieren. Ganz bestimmt nicht die Kinder, deren Gefährdung schwer an Covid-19 zu erkranken gegen Null geht.

Tatsächlich wurde ich für die einfache Frage, die ich gestellt habe, sogar gemeldet und zwar mehr als einmal. Die gleichen Menschen, die sich gerne über „Hatespeech“ echauffieren und am liebsten das halbe Land canceln würden, haben offenbar kein Problem damit ihrer Geringschätzung freien Lauf zu lassen und ihre Mitstreiter liken diese Tweets fleißig.

Diese Doppelmoral, diese Doppelstandards kann man natürlich überall finden, aber nirgendwo sind sie derart auffällig, wie im Lager von Menschen, die der Regierung vertrauen, die einen Krieg mit Waffenlieferungen anheizen wollen, denen die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung in jedem Fall zu „lasch“ sind und denen es egal ist, wie viele Menschen hungern oder frieren müssen, solange sie sich selbst als Gutmensch aufspielen und dadurch moralisch überlegen fühlen können.

Das ist es auch, was mich wirklich entsetzt. Man redet von Toleranz und zeigt keinen Funken davon. Man redet von Wissenschaft und vergisst, dass Wissenschaft Wissen schafft – durch Diskurs. Man redet von Demokratie und negiert, dass Demokratie immer der Schutz der Persönlichkeitsrechte des Einzelnen gegenüber einer Mehrheit ist. Man redet von Frieden und möchte ihn mit immer mehr Waffen erzwingen.

Mir ist es egal, wenn jemand eine Maske trägt. Mir ist es auch egal, wenn jemand sich noch weitere fünf Mal boostern lässt. Jeder darf diese Entscheidungen für sich treffen. Ich weiß, dass ich niemanden überzeuge, der nicht überzeugt werden möchte. Das ist in Ordnung. Es heißt Demokratie, denn sie lebt vom Pluralismus.

Photo by Jeremy Bezanger on Unsplash