Wieso wir die Politik brauchen
Seit über zwei Jahren bin ich inzwischen Mitglied in der Partei dieBasis. Während dieser zwei Jahre habe ich mein Engagement immer weiter ausgedehnt und inzwischen auch an dem ein oder anderen Vernetzungstreffen oder Parteitag teilgenommen. Den bisherigen Höhepunkt bildet dabei der diesjährige Bundesparteitag vom 31. März 2023 bis zum 02. April 2023.
Dort wurde ich gefragt, ob ich zu der ein oder anderen Frage vor der Kamera Stellung beziehen möchte. Wenn man Politik macht, dann hat man keine Wahl, als sich in den Fokus der Aufmerksamkeit zu begeben. Dass dabei ab und an unglücklich agiert wird, lässt sich kaum vermeiden. So erntete Sven Lingreen – Teil der neuen Doppelspitze – auch Kritik für den ein oder anderen Satz, der bereits den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat.
In einem kurzen ca. einminütigen Video, das auf Telegram, Facebook und Instagram zu sehen ist, kam ich nun selbst zu Wort und noch bevor ich das Video selbst gesehen hatte, erhielt ich die erste Telegram-Nachricht darüber, wie unangemessen dieses Statement doch sei. Mir werden u. a. „Allmachtsfantasien“ unterstellt. Auch sonst sorgte der Beitrag für eine kontroverse Diskussion.
Tatsache ist, dass ich zu meinem Statement stehe und zwar genauso, wie ich es gesagt habe. Wenn wir wirklich etwas ändern wollen, wenn wir die Menschen an der Politik beteiligen wollen, dann müssen wir (mit)regieren, weil die aktuell regierenden Parteien ihre Macht wohl kaum freiwillig aufgeben werden.
Das wurde durch die „Wahlrechtsreform“ mehr als deutlich. Zukünftig werden vor allem Parteien gestärkt. Das ist problematisch, weil auf Anhieb nicht erkennbar ist, wen man letztlich wirklich wählt. Die Mandate werden im Wesentlichen über die Listen besetzt, auch wenn man mit einem Direktmandat bevorzugt würde.
Dabei ist der Vorstoß das Parlament zu verkleinern durchaus zu begrüßen. Nur beschleicht einen immer mehr das Gefühl, das hier andere Interessen im Vordergrund stehen als die der Bürger oder gar die Stärkung der Demokratie. Um die Demokratie voranzubringen und sie auch tatsächlich wieder in die Hände des Volkes zu legen, indem man beispielsweise deutlich mehr Volksabstimmungen zulässt, benötigt man also eine Mehrheit im Parlament.
Für dieBasis bedeutet das, entweder zu regieren oder mit einem oder mehreren Partnern zusammenzuarbeiten, die dieses Ziel ebenfalls im Sinn haben. Es handelt sich demnach vielmehr um eine logische Konsequenz.
Wer nun fürchtet, dass hier Minderheiten unterdrückt werden sollen, den verweise ich gerne auf das Grundgesetz. Egal wie es von wem auch immer verkauft werden soll, die Corona-Proteste begannen, als sich einige Wenige am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin versammelten, um auf das Grundgesetz aufmerksam zu machen und natürlich auf die dort beschriebenen Grundrechte – insbesondere der ersten 20 Artikel.
Als Partei bekennen wir uns ausdrücklich zu diesen Artikeln und eines unserer Ziele besteht in der bedingungslosen Garantie der dort beschriebenen Rechte. Sie über Verordnungen auszuhebeln und einer vermeintlichen Solidarität unterzuordnen kann kein politisches Mittel sein – zu keiner Zeit und in keiner Krise. Daran „herumzudoktern“ oder sie in irgendeiner Form manipulieren zu wollen muss für die Zukunft ausgeschlossen werden. Wenn überhaupt wäre zu hinterfragen, ob die bereits enthaltenen „Ausnahmeregelungen“ – beispielsweise nach Artikel 17a – mit anderen Artikeln überhaupt vereinbar sind und was tatsächlich mehr Gewicht haben sollte.
Allerdings soll das kein Thema dieses Beitrages sein. Vielmehr ist mir daran gelegen, meine Äußerung auch in einem entsprechenden Kontext darzustellen und die damit verbundenen Gedanken darzulegen.
Mir ist völlig klar, dass mein gestecktes Ziel für die nächsten Wahlen kaum erreichbar sein wird. Deshalb habe ich meiner Aussage ja auch einen Satz vorangestellt:
„Wir müssen erst einmal in einen Bereich kommen, in dem wir wieder wachsen.“
Das bedeutet eben, die zuletzt sehr dürftigen Ergebnisse, hinter uns zu lassen und in die Parlamente einzuziehen, um konstruktive Oppositionsarbeit zu leisten, die auch den Schluss zulässt, wir wären regierungsfähig und vor allem fähig im Sinne des Volkes zu handeln – richtige Vertreter der Menschen in diesem Land.
Es mag sein, dass sich die ein oder andere Partei damit abgefunden hat in der Opposition zu verharren, aber wenn wir dafür sorgen wollen, dass die Macht auch tatsächlich wieder vom Volke ausgeht, dann müssen wir weiterdenken. Unser Ziel ist kein bequemer Sitz im Parlament mit einem sicheren Gehalt und einem entsprechenden Pensionsanspruch, sondern etwas zu verändern, um den Frieden und den Wohlstand in diesem Land zu sichern.
Dazu gehört auch ein Maß an Selbstbestimmung für die Bürger dieses Landes, das ihnen die Verantwortung für das eigene Leben zurückgibt, ohne ständige Bevormundungen. Eine von der Politik unabhängige Medienlandschaft, die wieder eine ausgewogene Berichterstattung pflegt, muss inhärenter Bestandteil einer solchen Demokratie sein. Nur so können die Menschen sich als mündige Bürger begreifen. Auch dafür kann die Politik viel tun, wenn sie denn will. Stattdessen begreifen sich Redakteure und Journalisten heute häufig als verlängerter Arm der „Guten“ und sind selbst Mitglieder einer Partei. Die Folge ist ein Haltungsjournalismus, der uns wiederholt erklärt, wie wir die Welt zu betrachten haben.
Diese Verquickungen zwischen Medien und Politik lassen sich nur dann lösen, wenn eine Regierung den Mut dazu aufbringt etwas zu unternehmen.
Sich in der Opposition einzurichten wird also den Menschen in diesem Land auf Dauer keinen Nutzen bringen.
Warnende Beispiele finden wir in den Parteien der AfD und der Linken, die beide zwei Extreme bedienen. Sie geben unzufriedenen Bürgern das Gefühl eine Stimme im Parlament zu haben und ein weiter gefasster Anspruch ist für beide hauptsächlich Interpretionssache. Wie oft hat die AfD denn tatsächlich einen Regierungsanspruch artikuliert? Natürlich ist im Grunde jedem klar, dass niemand mit der AfD koalieren wird und sie dementsprechend ewig in der Opposition verharren muss. Somit bleibt ihr als Hauptgeschäft nur die Regierungskritik. Vieles davon ist richtig und wichtig, allerdings auch wenig konstruktiv. Tatsächliche umfassende Lösungsansätze, die mit den Menschen entwickelt werden findet man kaum. Immerhin hat die AfD aber in der Corona-Krise nicht komplett versagt und sich zu den Grundrechten bekannt. Das kann man weder von den beiden Regierungen noch von den Linken behaupten. Ehrlich gesagt ist mir die Funktion der Linken in den Parlamenten völlig schleierhaft. So präsentieren sie sich mit wenigen Ausnahmen als Sozialismus- und Kommunismusverharmloser oder -idealisierer und haben Schwierigkeiten ein eigenes Profil – einen Markenkern – zu definieren. SPD und Grüne decken bereits zu viele Bereiche ab und daneben wirkt die Linke schlicht zu blass. Sie könnte sich für die Bürger stark machen, aber auch sie schiebt diese Verantwortung anderen zu.
Und das ist einer der Gründe, wieso dieBasis gebraucht wird. Wir sind eine Partei mit starkem linken Einschlag. Toleranz wird hier oft schon gelebt, ohne dass große Worte darüber verloren werden müssen. Sie ist einfach da. Gestritten wird häufig noch über politische Belange und das ist für einen demokratischen Prozess völlig normal. Nur wer einen politischen Diskurs führt, der kann am Ende auch hoffen die beste Lösung für alle Beteiligten und von der „Lösung“ Betroffenen zu erreichen. Trotzdem ist auch ein gewisser traditioneller Einschlag durchaus spürbar. Im Grunde ist das eine logische Konsequenz und kein Widerspruch. Die Partei dieBasis möchte eben für alle Bürger da sein und das schließt nun einmal linke, rechte, konservative und modernere Weltanschauungen und Lebensphilosophien mit ein. Es zeigt auch, dass diese durchaus nebeneinander existieren können.
Schließlich sollen Bürger aus allen Gruppen in Zukunft die wichtigen politischen Entscheidungen treffen. Dabei wird sich zwangsläufig eine Gruppe durchsetzen – in der Regel die mit der besten Argumentation. Das bedeutet auch, dass die Position, die wir als Partei vertreten von den Menschen anders beurteilt werden kann. Es wird sogar zwangsläufig vorkommen, aber genau das bedeutet Basisdemokratie. Die Partei oder die Regierung trifft keine Entscheidung, sondern das Volk trifft sie und zwar bestehend aus allen Gruppen dieses Volkes.
Aus meiner Perspektive ist es also ein logischer Schluss anzunehmen, dass wir früher oder später an einer Regierung beteiligt werden, weil durch dieBasis allein bereits viele Gruppen aus der Bevölkerung mit ihren unterschiedlichen Zielsetzungen repräsentiert werden. Das als eine Allmachtsfantasie oder einen Führungsanspruch zu deuten ist eine Fehlinterpretation, die nur einleuchtet, wenn man die aktuellen Parteien als Maßstab ansieht.
Vielmehr sollte man die parlamentarischen Vertreter, die dann zwar offiziell Regierung genannt werden, als Stimme und als ausführendes Organ der Bevölkerung betrachten, die letztlich die Entscheidungen trifft.
Worum es mir also geht, ist eine systemische Veränderung, die in der aktuellen Situation nur aus dem System heraus erfolgen kann. Sie kann nur in den Parlamenten angestoßen werden und dementsprechend nur dann, wenn es Mehrheiten dafür gibt. Die kleinen Veränderungen, die in uns selbst passieren sind ein ganz anderes Thema. Sie haben mitunter große Auswirkungen auf unser Leben und sind natürlich genauso wichtig. Eine solche Veränderung war für mich die Erkenntnis, das System nur dann verändern zu können, wenn ich den Ist-Zustand akzeptiere und mich mit dem System beschäftige.
Meine eigene politische Ignoranz, die ich über viele Jahre hinweg gepflegt habe, hat einen Beitrag geleistet, damit sich das System zu dem entwickeln konnte, was wir jetzt vorfinden – ein System, das auf Selbsterhalt ausgelegt ist und vergessen hat, dass es in erster Linie einen vernünftigen Rahmen für ein menschenwürdiges Leben in diesem Land abstecken soll. Daraus erwächst auch die Erkenntnis, dass nur die Menschen in diesem Land diesen Rahmen abstecken können und dass sie viel stärker in die Politik eingebunden werden müssen. Wenn ich also sage, „Wir müssen regieren“, dann habe ich dabei vor allem den Systemwechsel vor Augen. Denn wir brauchen diese Mehrheit im Parlament, damit „wir“ schließlich wieder bedeutet: Wir alle.
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