Viel Wind um (fast) nichts

Viel Wind um (fast) nichts
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Wie das BMWK sich selbst und die Bevölkerung austrickst

Vor einiger Zeit hat das BMWK über Social Media die Botschaft verbreitet (1), dass 2023 ein „Rekordjahr“ für erneuerbare Energien war und 51,8 Prozent des benötigten Stroms aus diesen Energieträgern gewonnen wurde. Eine wirkliche Lüge ist das selbstverständlich nicht. Interessant sind jedoch die allgemeinen Zahlen zur Stromerzeugung für das Jahr 2023 des Statistischen Bundesamtes. (2)

Die Schönrechnerei des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz beginnt damit, dass hierbei nicht oder maximal am Rande erwähnt wird, wie viel Strom insgesamt ins Netz eingespeist wurde. Im Gegensatz zum Vorjahr 2022 – in dem es noch etwa 510 Terawattstunden waren – sind das 2023 nur knapp 450 Terawattstunden gewesen. Das bedeutet einen Rückgang um etwas mehr als 60 Milliarden kWh oder 11,8 Prozent.

Ob wir es nun wahrhaben wollen oder nicht, für eine Industrienation wie Deutschland ist das ein alarmierendes Signal. Es deutet ganz klar die schleichende Deindustrialisierung an, die in vollem Gange zu sein scheint. Darüber können auch die Milliardensubventionen für einige wenige Unternehmen nicht hinwegtäuschen. Sie zeigen eher das Unvermögen der Regierung und damit auch des BMWK, Deutschland als attraktiven Standort zu erhalten und haben den faden Beigeschmack von Planwirtschaft.

Dass die Energiepolitik daran einen erheblichen Anteil hat, ist inzwischen kein Geheimnis mehr. Viele Unternehmen nennen diese als einen Hauptgrund für ihre Abwanderung neben der sehr typischen deutschen Regulierungswut.

Einer der wenigen positiven Aspekte dieser niedrigeren Stromproduktion ist der Rückgang von Kohleverstromung. Sie sank im Verhältnis zum Vorjahr von 169,5 Terawattstunden um 52,1 TWh auf 117,4 TWh. Die Reduzierung der Kohleverstromung liegt dennoch relativ deutlich unter dem Niveau des Gesamtrückgangs am ins Netz eingespeisten Strom. Somit lässt sich die merklich geringere Produktion auch kaum ausschließlich auf einen bewussten Verzicht von Kohleverstromung schieben. Obwohl der Anteil des unsaubersten aller Energieträger, der noch dazu die schlechteste CO₂-Bilanz aufweist, also auch weiterhin bei über ein Viertel des eingespeisten Stroms liegt, wird der Eindruck erweckt, als wäre die Kohle praktisch verbannt worden. Fakt ist vielmehr, dass wir diese Kraftwerke nicht nur brauchen, sondern auch weiterhin als Backup benötigen werden.

Denn einer der Gründe, warum Deutschland verhältnismäßig wenig Kohlestrom nutzen musste, ist – neben der industriellen Flaute – der Importüberschuss bei der Strombilanz. So hat Deutschland 2023 insgesamt 69,3 TWh an Strom zugekauft. Das stellt ein Plus von 20 TWh im Vergleich zum Vorjahr dar oder knapp über 40 Prozent. Demgegenüber steht eine sinkende Exportmenge, die 2023 bei etwas über 60 Terawattstunden lag. 2022 waren es noch 76,6 TWh. Der Rückgang beim Stromexport liegt somit bei über 20 Prozent.

Im Klartext bedeutet das, Deutschland hat mehr Strom importiert als exportiert, und zwar 9,2 Terawattstunden. Die offizielle Begründung dafür lautet, man könne auf diese Weise verhindern, „schmutzige“ Energie – beispielsweise aus Kohle – zu produzieren.

Während die negativen Aspekte kaum Beachtung finden, verbreitet man sehr plakativ das neue Evangelium des heil bringenden Stroms aus erneuerbaren Energien – insbesondere der Windkraft. Tatsache ist jedoch, dass der eingespeiste Strom aus erneuerbaren Energien gerade einmal um 6,7 Prozent angestiegen ist, nämlich von 236 TWh auf magere 251,8 TWh. Obwohl also der Anteil an „Erneuerbaren“ deutlich gestiegen ist, nimmt sich der Zuwachs an er Gesamtproduktion von Strom aus erneuerbaren Energieträgern eher mäßig aus. Zu verdanken ist diese Steigerung vor allem einem Anstieg der Windenergie um knapp 14 Prozent von 122,5 TWh auf 139,3 TWh für das Jahr 2023. Im Vergleich dazu sank die Stromproduktion aus Fotovoltaik und Biogas um dieselbe Menge, wie sie aus Wasserkraft anstieg.

Der Grund für den Wind, den das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz um die Stromerzeugung macht, findet sich genau in diesen Details. Zum ersten Mal wurde mehr Strom aus Windenergie produziert als aus Kohle. Damit ist Windenergie offiziell der Energieträger mit dem höchsten Anteil an der Stromproduktion und leistet einen erheblichen Beitrag dazu, dass erneuerbare Energien mehr Strom produzieren als konventionelle Energieträger.

Was allerdings wäre passiert, wenn in Deutschland dieselbe Menge an Energie wie im Vorjahr hätte eingespeist werden müssen? Wo wäre all der Strom hergekommen? Hätte man überhaupt schnell genug die entsprechende Backupenergie zur Verfügung stellen können?

Zum zugegebenermaßen aktuell noch eher geringen Exportdefizit an Strom kommt der deutlich schwerwiegendere Rückgang an der Gesamteinspeisung. Die eigentlichen Herausforderungen wird Deutschland aber erst noch zu meistern haben. Neben dem zu erwartenden Mehrbedarf, der durch die „Heizungswende“ entsteht, wird auch die forcierte Mobilitätswende hin zu mehr Elektromobilität, das Stromnetz und besonders die -produktion vor Probleme stellen.

Das gilt vor allem, wenn Windenergie weiterhin als wichtigster Energieträger gestärkt werden soll, während noch immer keine ausreichenden Speicherkapazitäten zur Verfügung stehen.

Davon abgesehen, dass diese Speichermöglichkeiten nahezu unmöglich in ausreichender Geschwindigkeit im industriellen Maßstab zur Verfügung stehen dürften, werden andere negative Aspekte schlicht ausgeblendet. Windenergie hängt nämlich vor allem von einem Faktor ab – Wind in ausreichender Menge. Ferner nimmt die Effizienz von Windenergie ab, je stärker man die Bebauung mit Windkraftanlagen verdichtet. Gerade die als starker Pfeiler der Energiewende gefeierte Onshore-Windenergie könnte auf diese Weise die Energiesicherheit gefährden.

So hängt der „Erfolg“ der Energiewende maßgeblich davon ab, ob die Deindustrialisierung Deutschlands weiter voranschreiten wird oder man den Verbrauch von Strom in Zukunft vielleicht stärker reguliert oder vielmehr regulieren muss. In diesem Zusammenhang sind kontrollierte Abschaltungen von energieintensiven Industrien ebenso denkbar wie Einschränkungen der Elektromobilität oder bei der Nutzung von Wärmepumpen. Die zuletzt genannte Maßnahme wurde bereits als mögliches Mittel von der Bundesnetzagentur erwogen. (3)

Letztlich bleibt vom Hype des BMWK um die gelungene Energiewende vor allem ein großes Fragezeichen, das sowohl die Wirtschaft als auch die Bürger betreffen wird. Müsste man ein Fazit ziehen, so könnte dieses lauten: Das BMWK setzt bewusst die Energiesicherheit aufs Spiel, um den Traum von der eigenen – vor allem ideologisch motivierten – Energiewende durchzusetzen.

Das bedeutet keineswegs, wir sollten uns unbedingt wieder der Kernkraft zuwenden, obwohl diese kein Tabu sein darf und durchaus mehr als konventionelle Kernenergie anzubieten hätte. Insbesondere bedeutet es, dass wir unsere Zukunft nicht an einen Energieträger wie Wind koppeln dürfen, ohne Alternativen überhaupt ernsthaft in Betracht zu ziehen, denn Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe sind weit davon entfernt, in entsprechendem Maßstab nutzbar zu sein.

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