Die AfD und ihre „Fans“
Weshalb die Partei keine Alternative für mich ist
Dass Grüne, aber auch verschiedene Extremisten, die Positionen der eigenen Partei zur einzigen Wahrheit erheben, ist keine Neuigkeit. Oft finden sie dafür pseudowissenschaftliche und sehr einseitige Begründungen. Andere Argumente, Meinungen und sogar Studien fallen dabei durchs Wahrnehmungsraster. Wer versucht, eine sachliche Diskussion mit den Anhängern einer solchen Partei zu führen, hat in der Regel kein Glück damit. Die Parolen und die – ich muss es leider genauso nennen – Propaganda sowohl der Medien als auch der Partei selbst leisten hier ganze Arbeit. Beide sind in ihrer Kommunikation derart routiniert, dass für sachliche oder differenzierte Debatten kein Raum mehr bleibt. Kritik wird beinahe schon als Gotteslästerung verstanden.
Dieses Problem finden wir inzwischen auch vielfach bei den Anhängern der AfD. Sie markieren die Posts der Partei mit blauen Herzchen und setzen unter jeden Beitrag den Hashtag „#nurnochAfD“. Die AfD selbst weiß ausgezeichnet, wie sie ihre „Fans“ bei Laune hält und die Medien geben der Partei durch ihre Anti-AfD-Kampagnen zusätzlich Auftrieb, weil viele Wähler sich bestärkt fühlen in ihrem Glauben, auf der „richtigen Seite“ zu stehen. Würden dieselben Medien plötzlich beginnen, die Partei als tatsächliche Alternative in Betracht zu ziehen, so wäre der Zauber schnell verflogen und das Misstrauen der Menschen geweckt.
Doch nicht nur die Medien werden dafür angefeindet, dass sie die AfD kritisieren. Zugegeben, oft ist die Kritik unsachlich oder wenigstens undemokratisch. Der Umgang mit der sogenannten Alternative für Deutschland auf dem Bundesparteitag in Essen hat das einmal mehr deutlich gemacht. Linke Extremisten wandeln sicher nicht auf den Pfaden der Demokratie, wenn sie versuchen, einen Parteitag zu verhindern und Oppositionspolitiker bedrohen.
Tatsächlich schweißt einerseits die Berichterstattung und andererseits der starke Gegenwind die Partei und ihre Wähler oder in diesem Fall wohl eher ihre Groupies zusammen. Wer Kritik übt, ob nun als Journalist oder als Person, kann sich auf einen Sturm der Entrüstung einstellen. Selbst nachdem Argumente vorgebracht wurden, gibt es hier keine Einsicht. Immer wieder werden Entschuldigungen gesucht oder die Fanbase flüchtet sich in Whataboutism. Gerne wird das Argument bemüht: „Ja, aber die Islamisten …“.
Ich bin gewiss kein Fan des Islam, kann aber zwischen dem Islam und einzelnen Muslimen differenzieren. Was der in der AfD so verhasste Islam jedoch mit der AfD gemeinsam hat, ist etwa das mittelalterliche Rollenbild der Frau. Zahlreiche Statements von AfD-Politikern legen darüber Zeugnis ab. Das alleine genügt den Wählern der AfD in keiner Weise. Im Gegenteil – sie feiern die AfD als Retter aller Frauen und vor allem der Frauenrechte.
Wieso die AfD eine der Parteien mit dem niedrigsten Frauenanteil ist, hinterfragen ihre Groupies ebenso wenig, wie die Tatsache, dass durchaus öffentlichkeitswirksame Frauen wie Frauke Petry und Joana Cotar der Partei – sagen wir mal höflich – entwachsen zu sein scheinen. Auch die Vorstandswahlen am Wochenende, bei der genau eine Frau – Alice Weidel – in den Vorstand gewählt wurde, scheinen niemanden zum Nachdenken zu bewegen. Dabei liegt der Anteil von Frauen im Vorstand damit unter zehn Prozent und ist nicht einmal halb so hoch wie der Anteil an Frauen insgesamt in der Partei.
Immer wieder wird sogar behauptet, die AfD wäre keine rückwärtsgewandte Partei, wenn es um das Rollenbild der Frau geht. Meine Feststellung, die Partei strebe veraltete Modelle und Rollenklischees an, wird regelmäßig mit der Frage gekontert, an welcher Stelle im AfD-Programm das denn stehe. Dabei ist die veraltete Rollenverteilung ein wiederkehrender Aspekt in den Programmen der Partei. Im letzten Jahr fanden sich etwa eindeutige Passagen im Programm zur Landtagswahl in Hessen. Allerdings finden sich zum Thema Familie ebenfalls zwei Seiten im Europawahlprogramm 2024. So heißt es auf Seite 46:
„Andere Formen des Zusammenlebens als die Ehe zwischen Mann und Frau sind zu respektieren, damit aber nicht gleichzustellen. Die AfD bekennt sich in ihrer Familienpolitik zum klassischen Leitbild der Familie, in der Vater und Mutter in dauerhafter gemeinsamer Verantwortung für ihre Kinder sorgen.“
Auszug aus dem Parteiprogramm der AfD zur Europawahl 2024
Später heißt es schließlich:
„Wir streben Chancengleichheit für Frauen und Männer an und unterstützen es, wenn Menschen traditionelle Geschlechterrollen leben.“
Auszug aus dem Parteiprogramm der AfD zur Europawahl 2024
Damit ist die Katze eigentlich aus dem Sack. Wenigstens ist es ein wichtiges Indiz, in welche Richtung die Reise gehen soll. Eine weitere Passage trägt den Titel:
„Kinder sind sinnstiftend, bereichernd und lebensnotwendig“
Auszug aus dem Parteiprogramm der AfD zur Europawahl 2024
Unabhängig davon, ob das nun richtig oder falsch ist – die Frage wird sicher jeder, für sich individuell beantworten müssen –, wird in der Passage vor allem auf den demografischen Wandel verwiesen, der nicht mit Zuwanderung, sondern durch eine höhere Geburtenrate bekämpft werden soll.
„Die AfD will hingegen deutlich mehr junge Paare ermutigen und unterstützen, eine Familie zu gründen und mehrere Kinder zu bekommen. Die Förderung soll deutlich über das hinausgehen, was in Frankreich, Polen und Ungarn bereits umgesetzt wird. Kinder sind Zukunft!“
Auszug aus dem Parteiprogramm der AfD zur Europawahl 2024
Natürlich steckt in diesem Teil auch ein großes Stück Wahrheit. Tatsächlich sind Kinder die Zukunft eines jeden Landes. Schon das fragwürdige Rentenschneeballsystem baut auf der Annahme eines steten Wachstums auf. Dass dieses System über kurz oder lang zum Scheitern verurteilt ist, weiß jeder, der seinen Verstand bemüht. Zusammen mit der obigen Passage beginnt sich das Bild jedoch abzurunden.
So zeigt dieser Ausschnitt einen bestimmten Punkt sehr eindrücklich. Wenn Frauen Kinder bekommen, werden sie automatisch in eine traditionellere Rolle gedrängt. Ihre Chancen am Arbeitsmarkt werden zwangsläufig schlechter ausfallen. Die AfD mag ihr Rollenverständnis euphemistisch „traditionell“ nennen – ich nenne es auch weiterhin rückwärtsgewandt und altmodisch.
Obwohl die Grünen und ihr grünes Wirtschaftswunder aktuell eher Anlass zur Sorge geben, dürfte die Wirtschaft aus verschiedenen Gründen die Forderungen der AfD mit gemischten Gefühlen betrachten. Frauen sind ein durchaus relevanter Wirtschaftsfaktor. Das gilt für das Bruttoinlandsprodukt genauso wie für die Märkte, die sich speziell an einer weiblichen Klientel orientieren. Hier zeigt die Partei einmal mehr, dass sie schlicht nicht in der Lage ist, vorausschauend zu denken. Darin steht sie den Grünen in nichts nach. Allerdings verstehen es die Grünen deutlich besser, sich als progressiv zu verkaufen.
Im Übrigen steht der obige Satz zu den traditionellen Geschlechterrollen auch im Widerspruch zu einer anderen Passage des gleichen Wahlprogramms:
„Es ist eine biologische Tatsache und kein soziales Konstrukt, dass es genau zwei Geschlechter gibt: Frau und Mann.“
Auszug aus dem Parteiprogramm der AfD zur Europawahl 2024
Spricht das Programm in einer Passage explizit von traditionellen Geschlechterrollen, die ganz klar ein erlerntes Verhalten repräsentieren, reduziert die Partei nur eine Seite weiter die Menschen auf ihre Biologie – gerade so, als würden Dinge wie Verstand und Psyche ebenso wenig existieren wie andere Faktoren, die tatsächlich so zahlreich sind, dass sie bereits heute ganze Bücher füllen.
Fraglos vertritt die AfD auch durchaus unterstützenswerte Punkte. So spricht sie sich explizit gegen eine Impfpflicht aus. Ganz richtig erkennt sie in diesem Fall den Einschnitt in die Grundrechte, den eine Impfpflicht oder ein digitales Impfzertifikat – etwa für Reisen in andere Länder – darstellt. Paradoxerweise ist es der Partei jedoch unmöglich, den Bogen weit genug zu spannen, um unter gewissen Umständen – abgesehen von sehr wenigen Ausnahmen – eine Abtreibung als das Selbstbestimmungsrecht einer Frau anzuerkennen. Dieser Fakt ist auch deshalb so absurd, weil es immer mehr alleinerziehende Eltern gibt und die AfD eigentlich die „traditionelle Familie“ fördern möchte.
Wer genau hinsieht, erkennt, wie widersprüchlich die Partei bereits heute zum Teil argumentiert, auch wenn sie damit keine Ausnahme in der politischen Landschaft darstellt. Natürlich gibt es noch andere Punkte aus verschiedenen Programmen der AfD, die eine eingehende Erörterung verdienen würden. So zeigt die angestrebte Rentenpolitik zusätzlich, wieso die AfD im Grunde keine Alternative sein kann. Gleiches gilt insgesamt für die Sozialpolitik der Partei.
Dennoch verklären ihre Wähler die Partei zur urbanen Legende, die in der Lage sein soll, alle Probleme des Landes im Alleingang zu lösen. Sie rechtfertigen regelmäßig etwaige Entgleisungen und scheinen die Welt durch eine Art blaue Brille zu betrachten. Einige dieser Wähler übernehmen die komplette Propaganda, ohne diese auch nur ansatzweise zu hinterfragen. Jedwede Kritik wird als Majestätsbeleidigung umgedeutet. Damit stehen sie bestimmten Fanatikern beunruhigend nahe.
So entsteht ein Mythos der AfD als Verteidiger der Ehre aller deutschen Frauen und Mädchen – der Islam lässt wieder einmal grüßen. Alles, was es tatsächlich bräuchte, wäre ein Rechtsstaat, der auch wirklich für Gerechtigkeit sorgt und das Recht auf körperliche Unversehrtheit – unter anderem von Vergewaltigungsopfern – nicht irgendeiner verklärten Sozialprognose des Täters unterordnet.
Die AfD versteht es, diese Themen gezielt für sich zu nutzen, vor allem weil kaum jemand sonst in der politischen Landschaft sich traut, sie in ihrer Tragweite zu thematisieren. Sie fügen sich perfekt in die Ideologie der AfD ein, die am ehesten als die Anti-These alles Grünen beschrieben werden kann. Selbstredend ist somit der Antifeminismus ebenfalls Teil dieser Ideologie. Wähler der AfD können das entweder weiterhin leugnen oder schlicht zugeben, dass sie genau diesen Teil der Agenda ebenfalls unterstützen, denn die Partei macht daraus kein Geheimnis. Es wäre also zumindest ehrlich.
Für mich ist und bleibt die Partei unwählbar. Dabei ist der häufig zelebrierte Antifeminismus nur ein Punkt unter vielen, aber eben einer mit starkem Gewicht.
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