Mein Brief an Sören Bartol

Mein Brief an Sören Bartol

Dies ist der Brief, den ich an den Bundestagsabgeordneten des Landkreises Marburg-Biedenkopf geschrieben habe, am 16.11.2020, in der Hoffnung er würde, gemeinsam mit eventuellen anderen Zuschriften, den Abgeordneten zum Nachdenken bewegen und vielleicht Zweifel, ob einiger Unstimmigkeiten im geplanten Gesetzentwurf wecken. Leider hat Herr Bartol, wie fast die gesamte SPD-Fraktion, für den entsprechenden Gesetzentwurf gestimmt.

Der Gesetzentwurf findet sich hier.

Das Ergebnis der Abstimmung kann man hier einsehen. Ein Klick auf die entsprechende Fraktion offenbart welcher Abgeordnete wie abgestimmt hat. Nur für den Fall, dass jemand etwas Unterstützung für anstehende Wahlen benötigt.


Sehr geehrter Herr Bartol und Team,

natürlich ist mir bewusst, dass es sehr viel hilfreicher wäre mein Anliegen persönlich, beispielsweise telefonisch, vorzutragen. Die Schriftform erlaubt mir aber, meine Gedanken strukturierter auszuführen, was aufgrund des Themas sinnvoll erscheint. Natürlich wäre auch in diesem Fall ein Brief einer E-Mail vorzuziehen, doch dafür fehlt vermutlich die Zeit, da das entsprechende Thema bereits am 18.11.2020 im Bundestag debattiert und auch zur Abstimmung gebracht werden soll.

Seit einigen Monaten verfolge ich die Politik etwas aufmerksamer als üblich, da ich im Grunde bisher nur mäßiges Interesse daran hatte. Allerdings hatte und hat die „Feststellung einer pandemischen Lage nationaler Tragweite“ natürlich auch Einfluss auf mich und mein Leben, unter anderem in Form von mehrmonatiger Kurzarbeit. Diese Feststellung hat darüber hinaus zu Eingriffen geführt, die bis in das Privatleben vieler Menschen reichen. In der Folge wurden wiederholt Grundrechte eingeschränkt, die erst durch entsprechende Gerichte wiederhergestellt werden mussten. Nach wie vor nutzt die Politik die Pandemie und verbreitet gezielt Panik und wird hierbei durch die Leitmedien unterstützt.

Obwohl diese Entwicklung bisher schon besorgniserregend war, soll jetzt im Schnellverfahren der „Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ (Drucksache 19/23944) durch den Bundestag verabschiedet werden. Dieser Entwurf ist aus verschiedenen Gründen, vorsichtig ausgedrückt, problematisch. Nicht nur Anwälte, Daten- und Verfassungsschützer schlagen hier, meiner Meinung nach zu recht, Alarm.

Seit vielen Jahren lebe ich bereits in Marburg, dem Kreis in dem sich ihr Wahlkreisbüro befindet und wende mich deshalb an Sie als den zuständigen Abgeordneten. Natürlich kann ich nicht behaupten für den gesamten Wahlkreis zu sprechen, denke aber das im Falle einer breit angelegten Aufklärung, viele Menschen meine Bedenken teilen würden. Leider findet dieses Thema nur in wenigen Beiträgen der Medien überhaupt statt, sodass viele Menschen schlichtweg keine Kenntnis davon haben. Hinzu kommt die Geschwindigkeit mit der das Gesetz in Kraft treten soll, die kaum Zeit zum Reagieren lässt. Man könnte fast eine Absicht dahinter vermuten.

Nachdem nun in den letzten Monaten häufiger Verordnungen durch Gerichte, entweder ganz oder teilweise, als unverhältnismäßig und unzulässig eingestuft und zurückgenommen wurden, versucht man jetzt diese Verordnungen auf die Bundesebene zu verlagern und durch dieses Gesetz zu legitimieren. Die dadurch möglichen weitreichenden Einschränkungen der Grundrechte sind von jeder Verhältnismäßigkeit entrückt. Schon jetzt sind die Schäden, verursacht von der Politik und nicht von einem Virus, so nachhaltig, dass sie vermutlich noch kommende Generationen belasten werden. Die sozialen und gesellschaftlichen Verwerfungen noch nicht einmal mit berücksichtigt.

Ein gutes Beispiel hierfür ist die Maskenpflicht, die ebenfalls über den § 28a legitimiert werden soll. Aufgrund meiner Tätigkeit im Einzelhandel, gehöre ich zum Personenkreis derer, die direkt davon betroffen sind. Ein ärztliches Attest wurde mir, ohne etwaige Überprüfung und ohne Diskussion, von meiner Hausärztin verweigert. So ergeht es derzeit vielen Menschen, da die ergriffenen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung ein Klima der Angst und der Unsicherheit in der Bevölkerung und auch unter den Ärzten geschaffen haben. Auch nach einem halben Jahr habe ich mich, entgegen allgemeiner Prognosen, nicht an das Tragen der Maske gewöhnt und bin dennoch gezwungen, sie manchmal stundenlang während der Arbeit, ohne Pause, zu tragen. Ob dies mit dem Arbeitsschutz vereinbar ist, wird unterdessen nicht nur von mir angezweifelt. Da die, von der hessischen Landesregierung in Kraft gesetzte, Verordnung eine Haftung für etwaige Schäden nicht vorsieht, stellt sich mir die Frage, inwieweit so ein Vorgehen mit den Gesetzen vereinbar ist. Wirklich effektiv scheint mir diese Maßnahme ohnehin nicht, wenn ich die Deutschlandkarte auf dem Dashboard des RKI zu rate ziehe.

Dies ist aber nur ein Beispiel für eine, meiner Ansicht nach, unverhältnismäßige Maßnahme, die in den letzten Monaten beschlossen wurde. Anstatt der vielbeschworenen Solidarität zieht sich ein tiefer Graben durch die Gesellschaft, vielleicht auch gleich mehrere, der nicht nur zu Anfeindungen, sondern manchmal auch zu physischen Übergriffen führt.

Jetzt möchte die Bundesregierung diese Unverhältnismäßigkeiten also in einem Gesetz verankern und jedwede Unverhältnismäßigkeit nachträglich und für die Zukunft festschreiben. Der dabei angeführte „Inzidenzwert“ von 50 „Infizierten“ je 100.000 Einwohner beschreibt, laut WHO, aber eigentlich eine selten auftretende Erkrankung. Inwieweit passt das zu der pandemischen Situation nationaler Tragweite? Diese Praxis erscheint insbesondere deshalb fragwürdig, weil hier Menschen als infiziert gelten, die einen positiven PCR-Test vorliegen haben, aber nicht zwingend Symptome zeigen. Es handelt sich also keineswegs um Erkrankte, wie häufig behauptet wird. Eben jener PCR-Test ist aus verschiedenen Gründen problematisch, nicht nur weil er keine Aussage über eine tatsächliche Erkrankung liefern kann, sondern auch, weil es praktisch unmöglich ist, damit festzustellen, ob jemand ansteckend ist. Dennoch müssen Menschen mit positiven Testergebnissen in Quarantäne, während Pflegepersonal aber weiterarbeiten soll. Von der Fehlerquote oder dem laxen Umgang mit dem Test rede ich hier noch nicht einmal.

Falls dieses Gesetz beschlossen wird, wäre der staatlichen Willkür einmal mehr Tür und Tor geöffnet. Viel zu leicht wäre der Missbrauch, um unliebsame Meinungen zu unterdrücken und Menschen in ihren Grundrechten zu beschneiden.

Wir sollten uns also gut überlegen, ob wir in einer Gesellschaft leben möchten, die wir auf diese Weise erschaffen, ob es das ist, was wir unseren Kindern und Enkeln hinterlassen möchten oder ob wir es vielleicht besser können.

Deshalb sollte dieses Gesetz nicht verabschiedet werden. Vielmehr sollten wir uns darauf konzentrieren die Panik zu beenden und uns um die tatsächlich Kranken zu kümmern, aber die „Feststellung der pandemischen Lage nationaler Tragweite“ aufheben, da sie ohnehin nicht auf objektiven Kriterien beruht.

Aus diesem Grund bitte ich Sie im Interesse der Bürger, die Sie gewählt haben, diesem oder auch einem abgeänderten Entwurf dieses Gesetzes, nicht zuzustimmen und eine Entscheidung für die Menschen zu treffen, die Sie gewählt haben.

Mit freundlichen Grüßen

Christina Kade


Natürlich hätte ich auch einen der vorgefertigten Texte aus dem Internet verwenden können, doch das erschien mir zu unpersönlich und ich fand, es entspricht mir nicht, weshalb ich diesen Text verfasst habe. Er mag vielleicht etwas weniger eloquent formuliert sein, aber zumindest stehe ich hinter dem Geschriebenen. Auch wenn man nachträglich sagen könnte, dass der Aufwand umsonst war, sehe ich das nicht so, denn nur wenn ich meine Meinung auch formuliere und kundtue, kann ich auch erwarten gehört zu werden.

Ein kleiner Nachtrag vielleicht noch: Tatsächlich erhielt ich nach der Abstimmung noch eine Antwort aus dem Büro des Abgeordneten. Auf meinen Brief wurde nicht eingegangen. Damit hatte ich aber auch gar nicht gerechnet, da es zu diesem Thema sicher einige Zuschriften an die Abgeordneten gab (siehe meinen Beitrag „Briefe von Niemandem?“). Dennoch empfand ich einige Passagen als äußerst unangemessen und irreführend. Tatsächlich habe ich dazu sogar einen Beitrag formuliert, in dem ich auf viele Passagen des Schreibens eingehe. Veröffentlicht habe ich diesen Beitrag noch nicht, behalte mir dies aber vor.

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